Sonntag, 23. Juni 2013

Ein Bauer, eine Leidenschaft, ein Gin...

Auf dem letztjährigen Wein- und Winzerfest in Berlin-Lichtenrade kam ich in den Genuss, für einen besonderen Menschen arbeiten zu dürfen. Über Mike Meinke (Trio Bar) und Patrick Wedekind (Rum Depot) entstand ein Kontakt zu einem Bauern: Michael Schultz von Schultz'ens Siedlerhof in Werder.

(Ein nebliger Novembertag war's...)

Michael und seine Familie blicken auf eine lange Tradition von Gemüse- und Obstanbau und der Herstellung von Obstweinen zurück und so lag es nah, dass er seine Produkte auf dem Wein- und Winzerfest an den Mann und an die Frau bringen wollte. Dabei stellte sich mir die Frage, wie ich dem Mann helfen durfte und in wiefern das etwas mit Cocktails zu tun habe. Ich staunte nicht schlecht als mir gesagt wurde, dass Herr Schultz nicht nur etliche Obstweine UND auch Obstbrände herstellt, mit denen er übrigens seit 2008 regelmäßig auf der "Destillata" (dem Top-Event der Edelbrennerszene in Österreich) etliche Medaillen abräumt, nein, letztes Jahr habe er auch einen Gin hergestellt, mit dem es auf dem Fest einige leckere Cocktails zu mixen galt. Ich möchte erwähnen, dass ich bis dahin nur telefonisch mit Michael Schultz zu tun hatte.

(die unzähligen Produkte im Hofladen)

(die unzähligen Medaillen in der Wirtschaft)

Aber dies ist nur die Vorgeschichte. Denn die Produkte von Michael Schultz und natürlich auch der Gin haben mich so beeindruckt, dass ich den Obstbauern persönlich kennen lernen und mehr über ihn und seine Arbeit erfahren wollte. So besuchte ich ihn im November letzten Jahres auf seinem Hof in Werder. Unsere fast vierstündige Plauderei möchte ich nun mit Euch teilen.

Nachdem die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) der damaligen DDR nach der Wende aufgelöst wurden, bekamen die Schultz'ens ihre 17 Hektar Land zurück, 3 davon als Eigentum. Die Familie fragte sich zunächst, was man damit anfangen sollte und die naheliegendste Antwort wurde auch schnell gefunden: man wollte das fortführen, was einst die Eltern schon begannen: Obst und Gemüse anbauen und nicht nur die Werderaner sondern auch die Berliner damit versorgen. Wen die Erfolgsgeschichte der Familie Schultz näher interessiert findet hier und hier zwei interessante Artikel.

(Familie Schultz - links die Eltern, rechts Michael mit Tochter und Frau)

Ich aber wollte hinterfragen, was Michael zu der Brennerei gebracht hat.

Alles begann mit einem Onkel in Westdeutschland, welcher Mitglied in einem kleinen Skatclub ist. Bei einem Besuch seines Onkels schleifte dieser seinen Neffen Michael auch mit zum Skat. Die Runde fand bei einem ortsansässigen Bauern statt, welcher sich immer etwas mehr um seine Destillation kümmerte, als um sein Skatspiel. Dabei schaute ihm Michael ständig über die Schulter und wie sollte es anders sein - er infizierte sich mit dem Virus Brennerei.

(Tatort Brennblase)

Als er dann auf der Grünen Woche Dr. Klaus Hagmann kennen lernte, der zufällig eine Brennereiberatung in Göppingen betreibt, war es endgültig um ihn geschehen und Vater Günther Schultz schickte ihn promt zu Herrn Hagmanns umfassenden Schulungen.

Sehr schnell erkannte Michael den Nachholbedarf in seiner Region. 2008 Destillierte er seinen ersten Whiskey und lagerte die Hälfte davon für drei Jahre in einem first fill cage aus Spessart Eiche, die andere Hälfte in einem Bordeaux Fass. Als man 2011 die Fässer öffnete, war man mehr als überrascht. Nicht schlecht für einen deutschen Whiskey. Während der im frischen Eichenfass gelagerten sehr rauh und kantig daherkommt, ist der mit dem Bordeaux Finish etwas runder und ausgewogener.

(Glina Whiskey - benannt nach einem Ortsteil in Werder)

Man muss bei einem so mit Heimat und Handwerk verbundenen Mann wie Schultz nicht erwähnen, dass die nagelneuen Spessart-Eichen-Fässer natürlich von einer regionalen Böttcherei (der Böttcherei Messerschmidt aus Neu-Zittau im Kreis Erkner) extra für ihn gebaut wurden. Die Bordeauxfässern wurden ebenfalls professionell aufbereitet. Hierfür wurde die erste Rotweinschicht herunter gehobelt, anschliessend getrocknet und die Fässer anschließend mit diesen Bordeaux-Spänen neu getoastet.

(Das Fass den Brand stets vollendet.)

Doch ich wollte ja auch über den Gin schreiben. Über Bauer Schultze's "Der Siedler", Jahrgangs-Gin, limited edition...
(Das Objekt meiner Begierde.)

Im Rahmen eines Sensorik-Kurses bei Herrn Hagmann probierte Michael mal einen Gin der ihn so begeisterte, dass er unbedingt einen eigenen brennen wollte. Und das wurde 2012 auch in die Tat umgesetzt.
Von Kind an ist Michael mit Pflanzen, ihren Blüten und viel Obst groß geworden. Diese ganzen Erfahrungen wollte er später in seinen ersten Gin stecken. So pickte er sich aus drei Kontinenten nur beste Zutaten heraus: Zitrusfrüchte aus Lateinamerika, Anglikawurz, Lavendel und Ingwer aus Europa und Afrika. Die geheime Zutat: seine umfassendes Wissen über seinen Garten und dessen Obstbäume. So kamen natürlich auch noch die einen oder anderen Obstbaumblüten mit in den Gin. Das Ganze wurde 4 x 10 Stunden destilliert, ein 3/4 Jahr in Steingutkrügen gelagert und danach ungefiltert per Hand abgefüllt. Er entschied sich für eine edle 0,5 Liter Flasche, die einem Flakon ähnelt und den leckeren 47 %igen Stoff in sich aufnimmt. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen!

(Verpackung nebst Flakon)
 
In der Nase einen Fruchtigkeit, die ihresgleichen sucht und im ersten Augenblick eher auf einen Obstler schliessen lässt. Am Gaumen dann ordentlich Wacholder und die geheimen Fruchtnoten. Alles in allem rund und balanciert. Wirklich ein toller Gin.

(Beschreibung des Destillats)

Aber warum einen Jahrgangs-Gin? Warum eine limited edition? Michaels Antwort liegt auf der Hand:
"In erster Linie dewegen, weil ich nicht vorraussagen kann, wie sich im Folgejahr die Obstbäume entwickeln, welche Blüten sie tragen werden, wie sie riechen, wie sie schmecken. Und in zweiter Linie natürlich, weil es kein Massenprodukt werden sollte." Über die regionale Brennerei sagt er: "Da bricht ein Markt auf, der zwar schon immer da war, aber noch nie so richtig bedient wurde!"

(Humor hat Schultz auch - seine "Glühbirne"...)

Recht hat er, der Schultz. Und er ist nicht nur ein heimatliebender Bauer, der aus den 17 Hektar Land im Laufe seines Wirkens 75 Hektar machte. Er ist nicht nur ein leidenschaftlicher Brenner, der mit seinen flüssigen Leckereien Madaillen abräumt. Er ist nicht nur liebevoller Familienvater, der mit 3 Kindern den Fortbestand seines Hofs und seines Grund und Bodens sichert.
Nein, er organisiert auch noch etliche Veranstaltungen im Jahr. Sei es die Spargelzeit auf seinem Hof, das Tulpenfest in Potsdam, das Baumblütenfest in Werder, ein Gin-Festival und Sommerfest, Cocktail-Abende im Sommer und Whiskey-Abende im Herbst, der Weihnachtsmarkt auf dem Inselmarktplatz in Werder oder die Weihnachtszeit auf seinem eigene Hof mit hausgemachten Grünkohl Speisen...

(Grünkohl-Kanonen)

Michael Schulz bewegt vieles und berührt einige. Wen es interessiert, hier sein Veranstaltungskalender.

Mich jedenfalls hat er mit seiner Art zu erzählen und zu schwärmen gefesselt. Besonders mit seiner Vision von einem regionalen Werbespot:
Man sieht Getreidefelder in Werder, wie sie wachsen und gedeihen, einen Mähdrescher, der es dann erntet, einen Müller aus der Region, der das Getreide mahlt, einen Bäcker, der Brot backt, einen Böttcher, der ein paar Fässer baut und Michael, wie er an seiner Brennblase steht...
100 % Heimat eben!

(Das Land verschwand im Nebel.)

Ich mag diesen Gedanken. Es ist eben nicht nur ein Bauer, eine Leidenschaft, ein Gin - es ist ein Lebensgefühl!

In diesem Sinne, Euer Gröning oder wie Michael sagt:
Euer Jensa.

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